Nach einer
gewohnt langen Reise landete ich am Donnerstagabend in der Schweiz. Das
Ankommen wird je länger je mehr zum Kulturschock. Obwohl ich in diesem Land ja
heimisch bin, gibt es Dinge, die mich hier einfach stören und in Schweden nie
passieren würden. Als ich den Zug mit meinen Gepäckstücken betrete, die alleine
gar nicht tragen konnte (ein Schaffner hilf mir beim Verlad), lag in einem
Viererabteil eine Frau über alle Sitze. Da der Zug gut ausgelastet war, fragte
ich höflich, ob hier noch ein Platz frei sei. Mindestens drei Stück sollten ja
noch unbesetzt sein, so meine Annahme. Die Frau knurrte, packte ihr Ware und
machte sich aus dem Staub. Beim Ausstieg im Bahnhof mit dem grossen Dach und
dem Maestrani-Schriftzug wurde ich von zwei jungen Mädchen angepöbelt, ob das
nicht etwas viel sein. Meine Reaktion fiel auf Schwedisch aus, geht einfach
leichter mit solchen Individuen. Natürlich überwogen die schönen Momente bei
der Ankunft klar. Ich bezog Zuhause das TV-Zimmer, da mein Zimmer von Mikaela,
unserer Austauschschülerin aus Neuenburg und ihrem Parfüm bewohnt wird.
Nach einem
Tag mit den gewohnten Verpflichtungen brachen wir endlich gegen Osten auf. In
eine Woche, die später zur wahrscheinlich besten Woche meines Jahres wird. Im
Kleinbus ging es mit Carmen, Andrin, Eliane, Lea, sowie Ursus und Nadeschkin
ins obere Lesachtal ins pittoreske Bergdorf Obertilliach, einem Drehort des
aktuellen Bondstreifens. Endlich traf ich meine Jungs wieder, die Ski-OLer der
Schweiz.
Auch am
nächsten Tag ging das muntere Wiedersehen weiter. Alle meine Freude aus ganz
Europa traf ich auf den Spuren des Modelevents, der jeder Wettkampfwoche
vorangeht. Während es den ganzen Tag weiterschneite, was noch zum Problem
würde, ruhten wir uns nach akribischen Skitest im wunderbaren Hotel Oswalderhof
mitten im Dorf aus. In diesem schmucken Hotel konnten wir uns wirklich wie
zuhause fühlen. Die Grösse war so überschaubar, dass wir es gleich mit uns
selbst füllten und die wenigen Angestellten schnell zu guten Freunden wurden.
Allen voran die Hotelierin und Gastmutter Viktoria, an die an dieser Stelle ein
herzliches Dankeschön ausgerichtet sei.
Mein Zimmer
teilte ich wie gewohnt mit Noel und Lars, die Penthouse-Suite zuoberst unter
dem Dach, Blick in die wunderschönen Dolomiten, die sich im Lauf der Woche von
ihrer besten Seite zeigten.
Die
WM-Woche wurde mit dem Sprintrennen eröffnet. Mein Start war auch 12:37
festgelegt, sodass wir genügend Zeit im Hotel hatten, bis es in die Arena ging.
Es schneite die ganze Nacht ununterbrochen weiter und es lagen rund 60cm neuer
Nassschnee. Die Organisatoren hatten alle Hände voll zu tun, um irgendwie
Spuren zu präparieren, was ihnen nicht in der gewünschten Zeit gelang. Es kam
zu Startverschiebungen, so dass die Jugendkategorien in unserem Startfenster
starten sollten. 4 Athleten pro Minute. Keine Chance. Das totale Chaos brach
aus. Einige starteten 8 Minuten zu spät, andere bekamen ihre Karte zwei Minuten
zu früh. Mehr als Recht, dass die Läufe annulliert wurden und am nächsten Tag
nachgeholt wurden. Schliesslich erwartet ja jeder Athlet die gleichen
Bedingungen.
So heiss es
am nächsten Tag also gleich nochmals Sprint. Keine Wolke zur Zierde am Himmel,
pures Winterwetter bei frühlingshaften Temperaturen, ein Traum. Mir gelang der
Wettkampf eigentlich sehr gut, kein grösserer Bock. Nur war meine Physe noch
nicht bereit und ich hatte noch Probleme mit der Höhenluft. So kassierte ich
sehr viel Zeit in den Aufstiegen und klassierte mich auf einem passablem 21.
Platz, bester Schweizer. Abschliessen und auf die Mitteldistanz hoffen. Dieses
Rennen wurde am Folgetag im Massenstart ausgetragen. Ich ergatterte mir eine
sensationelle Ausgangslage im Startfeld und konnte gerade am Anfang gut mit der
Spitze mithalten. Dann ging der Saft aber wieder aus und die Fehler schlichen
sich ein. Zudem wurde ich in einen Massensturz verwickelt, den ich aber ohne
Materialschaden, dafür mit grossen Zeitverlust überstand. Es resultierte ein
enttäuschender 25. Platz. Zeit für den Ruhetag und der vorangehenden ersten
Party, die ich richtig genoss. Zuvor mussten aber noch Pflichten erledigt
werden und ich begleitete meinen Freund Nicola an ein Gespräch mit Kalle,
meinem Schwedischen Trainer. Nicola will ebenfalls einen Austausch am Skigymi
absolvieren. Dieser junge Herr wurde diese Woche gleich 3x Europameister bei
der Jugend. Dies wurde jeweils gross zelebriert, wodurch sich die Schweizer an
den Rangverkündigungen den Ruf als lauteste Nation machten. Das Training als
Capo im Korpeninnebandy zahlte sich aus und ich führte die Fans an allen
Rangverkündigungen lautstark an. Es war ebenfalls einfach nur schön, nach so
vielen Jahren zum ersten Mal die Schweizer Nationalhymne an einem
Ski-OL-Grossevent zu hören. Obwohl eine sehr langsame Version gespielt wurde,
sangen wir lauthals mit.
Vom
absoluten Traumwetter am Vortag war am heutigen Ruhetag nicht mehr viel zu
sehen. Es schneite wieder wie gewohnt, was uns auch den geplanten Biathlonkurs
verwehrte. So testeten wir vor allem die Skier nochmals und liefen einige
Runden. Am Nachmittag schlossen wir Herren uns zu einem kleinen Teamausflug
zusammen und genossen herrliche Eisbecher in einem Cafe. Allen voran das
Teamküken Gian-Andri, der sich selbstsicher eine „heisse Liebe“ bestellte ;-)
Wie schon
am Abend vor der Mitteldistanz gastierten auch heute wieder einige
Norwegerinnen in unserem Hotel für ein geselliges Kartenspiel. Wie toll doch,
dass Uno weltweit die gleichen Regeln hat. Rolf servierte sogar eine
Vanillecreme bis ins Zimmer, damit wir nicht von unseren Dates davonspringen
mussten.
Es stand
die Langdistanz an. Eine sehr lange Langdistanz. Am Vorabend wäre ich am
liebsten vom Teammeeting davongelaufen, als die Bahndaten kommuniziert wurden.
22,3km und 560 Höhenmeter. Ein würdiges Kräftemessen für die über 50 Junioren
im Teilnehmerfeld. Das Wetter zeigte sich, wie für einen Wettkampftag üblich,
von seiner besten Seite. Plusgrade, Sonnenschein und genug Zeit vor dem Start,
sich ein wenig zu sonnen. Dann galt es aber Ernst. Mit dem Wissen, ein sicheres
Verpflegungssystem ausgeheckt zu haben, konnte es losgehen. Es lief mir
wirklich gut. Ich machte keine Fehler. Würgte mich jede Serpentine hoch. Ein
kleiner Fehler schlich sich nach über einer Stunde trotzdem ein. Im
Stadiondurchlauf wurde ich vom Speaker Goggi schon sehnlichst erwartet, was
immer ein gutes Zeichen ist. Rolf sagte nur, während ich meine hoch
angereicherte Koffeindosis mit Wasser zu mir nahm, dass der acht Minuten vor
mir gestartete Lars nur noch 30 Sekunden vor mir liegt. Schnell ein- und
überholt lief ich die Schlussschlaufe ein einem Delirium. Nach der Ziellinie
lag ich fast reglos auf dem harten Schnee und dem Kartengestell, eine Stunde
und 35 Minuten gekämpft, die zweitbeste Zwischenzeit bekommen. Vielleicht wegen
der Freude, der Erschöpfung oder Beidem zusammen, brach ich in Freudentränen
aus, die ich endlich einmal an einem Ski-OL-Wettkampf mit meinen Eltern teilen
durfte. Nach dem Auslaufen zusammen mit Anne, einer neu gewonnenen Norwegischen
Kollegin, stand dann auch bald das endgültige Resultat fest, ein fünfzehnter
Rang. Zeitgleich mit Noel. Passabel.
Nun kam ein
Tag, auf den ich schon lange gewartet habe. Ein Tag, der wie eine
Sonnenfinsternis ist. Ski-OL-WM, das Abschlussbankett und der Geburtstag am
selben Tag. Es war soweit und der 5. März 2016 war da! Schon beim Frühstück
wurde ich mit Gesang, einem riesigen Zopf in der Form einer Achtzehn,
Schokolade und vielen Glückwünschen überhäuft. Der Tag begann also perfekt und
mit Sandro beging ich meine erste Amtshandlung. Doch leider wollte die
Kassiererin den Ausweis beim ersten Kauf von Spirituosen nicht sehen, hat sich
also nicht gelohnt! Das Staffelrennen stand auf dem Programm und ich durfte die
Schlussstrecke als Zehnter angehen. Ich konnte mich auf einen fünften Platz
vorarbeiten, verpasste aber in einer Gabelung den richtigen Posten. Die
Enttäuschung war riesig. Aber man soll an seinem Geburtstag nicht traurig sein
und das grosse Packen begann am Wachscontainer und ging im Hotelzimmer weiter.
Traditionell gab es am letzten Abend im Oswalderhof Schnitzel mit Pommes, wie
immer delikat zubereitet von Gastmutter Viktoria. Noch einmal so richtig Gas
geben an der Rangverkündigung, mit allen Teamkollegen ergiebig anstossen und
das Geburtstagsbankett geniessen. Hier endet aber die Berichterstattung der
folgenden Stunden.
Der nächste
wunderschöne Morgen brach an und zusammen mit meinen Eltern reisten wir wieder
in die Schweiz. Eine Reise geht zu Ende, wie ich sie vorher noch nie erlebt
hatte. Es gibt an dieser Stelle so viele Leute, denen zu Danken wäre, was ich
aber bei den meisten persönlich machen konnte. Diese eine Woche im Jahr
bedeutet mir einfach so unendlich viel und ich freue mich schon auf die
Junioren-WM 2017 im Finnischen Imatra.
Das ultimative Teamfoto, alle mit dem Gesicht des Medalliengewinner Christian Spoerry |
Balkonselfie der U20 |
Im langen Langdistanzrennen |
Emotional und erschöpft in Ziel der Langdistanz |
Gutaussehende Herren vor dem Bankett |
Mit dem Händen die Richtung vorgeben ;-) |
SwissTeam |
Wieder in Mora auf einem spontanen Marathontürli (42,4km) |
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